The Power of People

Unser erster Transformation Talk 2023 hatte kulturelle und psychologische Aspekte in Veränderungsprozessen zum Thema. In interessanten Keynotes und einer spannenden Diskussionsrunde haben die WARGITSCH Transformation Engineers dieses Thema beleuchtet.

Wenn Transformationen in komplexen Systemen gelingen sollen, dürfen nicht nur einzelnen Elemente betrachtet werden – der Fokus muss auf das Gesamtsystem erweitert werden. Nur wenn alles aufeinander abgestimmt ist, können Veränderungsprojekte nachhaltig Erfolg haben. Um eine möglichst ganzheitliche Betrachtungsweise zu erhalten, ziehen die WARGITSCH Transformation Engineers die Dimensionen „Mensch“, „Organisation“ und „Technologie“ heran. Der ersten dieser Dimension haben wir uns in unserem ersten Transformation Talk 2023 angenommen: „The Power of People. Über kulturelle und psychologische Aspekte in Veränderungsprozessen“.

Widerstände reduzieren und inspirierende Visionen schaffen

Da der Mensch sich im Spannungsfeld von Unternehmensveränderungen und in ständigen Wechselbeziehungen mit Organisation und Technologie befindet, stellt sich bei Transformationsvorhaben zurecht die Frage: Wie kann der Mensch optimal in Veränderungsprozesse einbezogen werden? Wird dieser Frage nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt, kann schnell eine Kettenreaktion mit weiteren Herausforderungen und Problemen eintreten, bis hin zum Scheitern der ganzen Transformation. Folgerichtig ist die Berücksichtigung der psychologischen Aspekte in Transformationen in der modernen Unternehmensführung essenziell geworden. So werden Widerstände reduziert und eine inspirierende Vision geschaffen. Wie sich der Einfluss von Menschen, die „Power of People“, in der Arbeitswelt widerspiegeln, beleuchten unsere drei Speaker aus ihren ganz eigenen Perspektiven.

Klaus Eike Mahlstedt, Executive Coach, Trainer, HR-Interimsmanager

Dr. Christoph Wargitsch, Systemtheoretiker, CEO, Gastgeber

Dr. Christina Weigert, VP Corporate Development

Komplexes Transformation Engineering – was ist das und wie funktioniert es?

Den fachlichen Einstieg in das weitreichende Thema der Transformationsdimension „Mensch“ gibt Dr. Christina Weigert, Expertin für New Work und Organisationssteuerung, mit drei Begriffsdefinitionen:

Um Transformationsvorhaben erfolgreicher zu machen, sollte in diesem Feld mit kreativen Lösungen gearbeitet werden, die ebenso ein hohes Maß an Präzision, Logik und Anpassungsfähigkeit einschließen. Darauf aufbauend verfolgt WARGITSCH das Transformation-Engineering-Konzept:

Think Tank > Produktentwicklung > Produktion > Lessons Learned

Im Rahmen dieses Ansatzes werden zunächst im Think Tank Ideen und Wissen generiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Produktentwicklung mit ein und somit auch in die tatsächliche Produktion, in die Arbeit mit den Kunden. „Aus der täglichen Arbeit können dann Lessons Learned herausgefiltert werden, die wiederum in den Think Tank einfließen“, erklärt Weigert. Eine zyklische Herangehensweise also, bei der sich die Phasen in einem Kreislauf wiederholen. „In diesen vier Phasen des Transformation-Engineering-Ansatzes finden auch unsere Prinzipien Einzug, für die wir stehen und nach denen wir arbeiten.“ Auch auf die Frage, warum es überhaupt solch spezielle Ansätze braucht und warum sich so viele Unternehmen verändern müssen, hatte Weigert eine Antwort.  

Vom großen grauen Elefanten und diversen Steuerungsmechanismen

„Die steigende Konnektivität in unserer Gesellschaft bedeutet auch eine höhere Dynamik und dies wiederum erfordert die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen auf politischer, ökonomischer, sozialer, technologischer, ökologischer und rechtlicher Ebene“, erklärt Weigert und ergänzt: „Transformationen kann man sich als einen großen grauen Elefanten vorstellen, den wir in Stücke schneiden. Die Komplexität wird in ihrer Gesamtheit verkleinert und geteilt, sodass Systemelemente in der Transformation betrachtet werden können. Konkret spiegelt sich das in den vier Phasen unseres Transformation-Engineering-Frameworks wider: Think, Design, Plan, Do.“

Doch ein rein zeitliches Aufspannen eines Transformationsprojektes reicht nicht aus. Die Wechselwirkungen im Raum, also im Zusammenspiel der Transformationsdimensionen Mensch, Organisation und Technologie, müssen begriffen und keine Dimension darf dabei ausgeklammert werden. Weigert unterstreicht diese Wichtigkeit mit einem Zitat: 

„Das fundamentale Problem von Organisationen ist, Kooperation zwischen mehreren Individuen oder Einheiten zu erreichen, die nur zum Teil kongruente Ziele verfolgen. Die Sicherstellung der Kooperation ist eine primäre Funktion organisationaler Steuerung.“

Das Thema Steuerung ist demnach ein zentraler Faktor für Transformationsvorhaben. Natürlich sind in jedem Unternehmen gewisse Steuerungsmechanismen vorhanden, nur unterscheidet sich deren Ausprägung und Art oft drastisch: von formeller bis hin zu informeller Steuerung mit vielen einzelnen Steuerungsformen. Dies bringt uns zur (Selbst-)Steuerung des Menschen. Weigert führt hierzu seine Werte und Vorstellungen, Motivationen und Kompetenzen als Einflussfaktoren an. Ein wichtiger Weg, diese Faktoren in Transformationsvorhaben erfolgreich zu beeinflussen, ist die sogenannte Input-Steuerung, ganz nach dem Motto „Hire for attitude, train for skills.“ Mithilfe von Stärkenorientierung und gezieltem Recruiting kann hier eine Form der Steuerung stattfinden. Auch auf sozialer Ebene ist eine Begleitung des Menschen in Veränderungsprozessen möglich, indem einvernehmliche Werte und Prinzipien geschaffen und verinnerlicht werden und eine transparente und konstruktive Kommunikation stattfindet. Eine weitere Möglichkeit zur Steuerung von Arbeitskräften: „Motivation und Anreize. Diese können intrinsisch oder extrinsisch sein. Ein Anreizsystem für Zielkongruenz in Unternehmen dockt an Leistungsbeurteilung und Belohnung an. Jede:r Mitarbeiter:in spricht auf andere Anreize an, beispielsweise monetäre Anreize, eine partizipative Arbeitsweise oder Lob und Anerkennung“, erklärt Weigert und führt weiter aus: „Der Mensch kann bei Veränderungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern durch die Wechselwirkungen auch mit der Umwelt und Technologie inklusive aller Schnittstellen und Interdepenzen.“

Fazit von Dr. Christina Weigerts Impulsvortrag:

1. Wenn du dich nicht veränderst, wirst du möglicherweise verändert.
2. Auch dicke Bretter können zersägt werden und zwar mithilfe der passenden Methodik und Werkzeuge.
3. Wenn wir Transformation in Zusammenspiel mit dem Faktor Mensch betrachten, müssen Werte, Motivation und Kompetenzen in Einklang mit dem Transformationsziel gebracht werden.

Stehe ich hinterher wirklich schlechter da als vorher?

„Unsere Umwelt verändert sich exponentiell“, stellt Klaus Eike Mahlstedt fest. Er ist Coach, Trainer, HR-Interimsmanager und bringt beim ersten Transformation Talk in 2023 seine Expertise zur „Power of People“ ein. In seinem Impulsvortrag stellt er folgende Fragen an die Teilnehmer:innen im Publikum vor Ort: 1. Wer fühlt sich für Veränderung bereit? 2. Wer fühlt sich durch die Führung und Kolleg:innen gut begleitet? Während bei der ersten Frage nur vereinzelt Hände in die Höhe gestreckt werden, identifizieren sich bei der Folgefrage wesentlich mehr der Anwesenden mit der Situation. Das ist laut Mahlstedt in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich, immerhin leben wir in einer VUKA-Welt, die gekennzeichnet ist durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität.

Doch wie kann man sich diesen Herausforderungen stellen? Eine Antwort auf die VUKA-Welt stellt Willms Buhses Management-Methode VOPA dar, die ebenso wie VUKA ein Akronym ist und für Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität steht. So banal diese Faktoren klingen, so kompliziert können sie in der Realität umzusetzen sein. Mahlstedt verrät den Teilnehmer:innen daher zwei Zauberworte: Resilienz und Haltung, ganz nach dem alten Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Als Anhaltspunkte dienen folgende Handlungsempfehlungen (der American Psychological Association):

* Zur Präzisierung stellt er drei Fragen: Was kann ich wirklich beeinflussen und sogar alleine entscheiden? Was kann zwar nicht alleine entscheiden, aber immerhin beeinflussen? Was kann ich weder beeinflussen oder entscheiden?

„Diese Resilienzfaktoren werden für uns immer mehr an Relevanz gewinnen“, erläutert Mahlstedt und beendet seine Keynote mit ein paar einfachen, aber wirkungsvollen Kontrollfragen: „Was ist eigentlich so schlimm an einer Veränderung? Stehe ich hinterher wirklich schlechter da als vorher?“

Beginnen, scheitern, lernen und Erfolg haben

Nach den beiden Impulsvorträgen von Dr. Christine Weigert und Klaus Eike Mahlstedt geht es in die Expertendiskussion zusammen mit Dr. Christoph Wargitsch. Weigert stellt den beiden Speakern spannende und praxisnahe Fragen, um die menschliche Komponente in Transformationsvorhaben noch deutlicher (be)greifen zu können. Zunächst geht es um die Frage, wie eine initiale Erfolgseinschätzung bei Transformationsprojekten aussieht beziehungsweise ob es diese überhaupt gibt. Dazu Christoph Wargitsch: „Eine Erfolgsprognose ist schwierig. Systeme, die zu transformieren sind, sind oft komplex und verändern sich. Daher sind Agilität und Anpassung essenziell. Es darf nicht stur ein Weg gegangen werden, ohne auf Signale zu achten. Es müssen immer wieder Checkpoints gesetzt werden und Korrekturen stattfinden.“ Klaus Eike Mahlstedt stimmt zu und ergänzt: „Sind die Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren anders als erwartet? Dann muss das Projektziel gegebenenfalls angepasst werden!“

Aufgrund ihrer langjährigen und vielseitigen Erfahrung im Projektgeschäft können sowohl Wargitsch als auch Mahlstedt die Teilnehmer:innen auch an den Erfahrungen teilhaben lassen, die mit gescheiterten Projekten zusammenhängen. „Das Scheitern ist nie eingestanden worden“, berichtet Mahlstedt. „Ein Projekt wurde durchgeführt, hatte keinen Erfolg und irgendwann war es dann scheinbar abgeschlossen. Kurz darauf gab es neues Projekt, das das erste wieder verändern sollte. Aber ein altes, gescheitertes Projekt wurde nie kommuniziert und man hat es nie Revue passieren lassen. Es ist ein menschliches Bedürfnis, manches nicht anzusprechen und ‚smoothing over differences‘ zu betreiben.

Transparenz und Kommunikation können hier helfen.“ Beim Thema Scheitern ergänzt Christoph Wargitsch weitere zentrale Gründe: „Je größer ein Programm ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es scheitert: Unscharfe Ränder, keine klaren Ziele, split brains. Aber man kann aus gescheiterten Projekten auch lernen. Mithilfe eines Learning Cycles, denn auch nach einem schmerzhaften, teuren Weg kann ein solches Programm erfolgreich enden.“

Zwischen Freiräumen, Hierarchie und Organisation

Zu guter Letzt spricht Dr. Weigert die beiden Experten auf die Interdependenzen zwischen Mensch, Organisation und Umwelt an. „Wenn viele Menschen in ein neues System kommen, kann ich gewisse Folgen antizipieren und Freiräume bieten. So kann der Mensch einerseits auf die Organisation wirken. Andererseits sollte der Mensch auf die Technik eingestellt werden, um ihn auf seine täglichen Aufgaben vorzubereiten. Beispielweise sollten Menschen im Hinblick auf das Thema Künstliche Intelligenz vorbereitet und begleitet werden.“ Eike Mahlstedt fügt hinzu: „Interdependenzen bedeuten immer eine positive und negative Beeinflussung. 

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Wenn du etwas nicht verhindern kannst, dann setze dich an die Spitze der Bewegung. Stichwort: Haltung! Wie programmiere ich mich über mein Mindset, um mich auf Veränderungen einzustellen?“ Eine Veränderung der heutigen Zeit bezieht sich auf die Bedürfnisse auf dem Arbeitnehmermarkt. Gefordert werden weniger Hierarchien und mehr Partizipation. Was sagen die beiden Experten dazu? „Veränderungen wird es immer geben, insbesondere auch bei den unterschiedlichen Generationen“, meint Wargitsch. „Hierarchien und Partizipation stehen nicht im Widerspruch. Hierarchien können Struktur bedeuten, innerhalb dieser Struktur kann man dann Freiräume schaffen für Partizipation. Zu viel Freiraum kann auch überfordern, wenn es keine Struktur und keine Übersicht über das Aufgabenfeld gibt. Hier ist Folgendes wichtig: Ich muss auf jede:n Einzelne:n mit den jeweiligen individuellen Bedürfnissen eingehen.“ Das findet auch Mahlstedt: „Ja! Eines muss immer klar sein, nämlich der organisationale Rahmen. Wer hat welche Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Zuständigkeiten? Denn agile Organisationen sind keine hierarchie- und organisationsfreien Räume.“

 

Die Essenz des ersten Transformation Talks: Alexandra Wiebe-Kaaden (Creative Director und Chapter Lead Communication Design) hat die wichtigsten Inhalte in einem eindrucksvollen Graphical Recording verpackt: