„New Work“ auf den Prüfstein gestellt

Hochkarätiges Panel beleuchtet die Entwicklung neuer Arbeitsparadigmen im „Transformation Talk”

Freitag, 1.7.22. „New Work“ als Buzzword ist wohl niemandem mehr fremd – mit der Pandemie hat das Thema einen enormen Schub erhalten. Dass der Megatrend aber deutlich mehr Tiefgang als die Diskussion über Homeoffice zu bieten hat, zeigte der dritte Transformation Talk der WARGITSCH & COMP. AG am vergangenen Freitag. Ein bunt gemischtes und mit verschiedensten Kompetenzen gespicktes Panel nahm sich im Pfaffenhofener Headquarter unter der Führung von Moderatorin Prof. Dr. Christine Brautsch (Fachgebiet Digitale Technologien & Prozesse, Hochschule Hof) der neuen Arbeitswelt und dem sich vollziehenden Paradigmenwechsel an. Mit dabei: Dr. Michael Trautmann, Unternehmer, Autor und Podcaster (über 300 Folgen „On the Way to New Work“) – einer der größten New-Work-Enthusiasten Deutschlands, Jan Hecht (Geschäftsführer der HECHT Technologie GmbH), Dr. Rahild Neuburger (Akad. Oberrätin an der LMU Munich School of Management) und Dr. Christina Weigert (Head of Marketing & HR der WARGITSCH Transformation Engineers).

NewWork_095-Kopie-e1657125674838-570x570

Den Auftakt des Experten-Talks machte Weigert mit einem Impulsvortrag. Sie erläuterte die vier Dimensionen des Megatrends „New Work“ in Anlehnung an das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation:

  • Örtliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit
  • Agile und projektbasierte Organisationsformen
  • Praktische Relevanz der Wertebasierung von Arbeit und Sinnstiftung durch Arbeit
  • Veränderte Führungsstrukturen und neue Machtverteilung durch Enthierarchisierung, partizipative Entscheidungsmechanismen und Selbstorganisation
NewWork_127-Kopie-570x570

Die HR-Expertin gab dem Thema so die erforderliche Tiefe und Michael Trautmann gleichzeitig den theoretischen Hintergrund für die Lesung aus seinem Buch „On the Way to New Work“. In fünf kurzen Geschichten belebte er die Theorien mit konkreten Anschauungsbeispielen. Eine Geschichte handelte von Amy Edmondson, einer Harvardprofessorin und der weltweit wohl bedeutendsten Forscherin zum Thema „Teams“ und organisatorisches Lernen. Eine Studie von Edmondson hatte überraschenderweise zum Ergebnis, dass gute Teams mehr Fehler machten als andere. Ein zweiter Blick auf die Studie relativierte das Ergebnis dahingehend, dass gute Teams nicht mehr Fehler machten, sondern sie nur sichtbar machten, darüber redeten und daraus lernten. Das war die Geburtsstunde der „psychologischen Sicherheit“ in Teams, der zentrale Faktor für den Erfolg, die Innovationskraft und Zusammenarbeit von Teams.  

Anschließend startete Brautsch die Panel-Diskussion, in der es zwischen akademischen Erkenntnissen und Einblicken aus der praktischen Unternehmenswelt mit kniffligen Fragen hin und her ging. Trautmann ordnete New Work zu Beginn folgenden Dreiklang ein: Erstens, was sind die Stärken einer Arbeitskraft und was braucht sie, um gut zu arbeiten und einen Mehrwert für die Bewältigung eines Problems dieser Welt zu stiften? Zweitens, wie kann man in Teams und als Organisation besser zusammenarbeiten? Drittens, wie kann die Gesellschaft davon profitieren, sei es im Bereich Inklusion, Diversität, Technologie oder Nachhaltigkeit. Das Wegbewegen von starren Mustern und Stellenbeschreibungen hin zur Frage, wie sich jede:r mit seinen Stärken und Schwächen bestmöglich einbringen kann, unterstrich auch Hecht. Die Atmosphäre im Unternehmen werde lockerer, Arbeitnehmer:innen würden aufgrund des Fachkräftemangels selbstbewusster, auf der anderen Seite müsse der Arbeitgeber damit auch umgehen können. 

Ein Werkzeug, das die Firma Hecht dazu benutzt, ist die „Big-Five“-Philosophie (The Big Five for Life, Buch von John Strelecky, der auch schon zu Gast bei Trautmanns Podcast war). Arbeitskräfte werden damit dazu ermuntert, ihre eigenen inneren Ziele zu finden und diese in Workshops mit den Zielen des Unternehmens abzugleichen. Somit soll sichergestellt werden, dass der Purpose der Mitarbeiter:innen in Hinsicht auf die Zielsetzung des großen Ganzen möglichst stimmig und motivierend ist. Für Weigert beginnt die Veränderung der Arbeitskultur bereits beim Recruiting: „Ich versuche, Bewerber:innen immer so zu behandeln, als wären sie potentielle Kolleg:innen. Es soll keine Diskrepanz entstehen zwischen Arbeitgeber und Bewerber:in, sondern eine konstruktive Begegnung zwischen Menschen, bei der wir herausfinden, ob wir zusammenarbeiten sollten und wie dies aussehen könnte.“  

Kritisch diskutiert wurden auch die Abkehr von der 5-Tage-Woche, ob Männer und Frauen unterschiedliche Bedürfnisse an die Arbeitswelt haben, das „Big-Quit“-Phänomen, die Weiterentwicklung und Technologisierung von Arbeitsplatzkonzepten, die Probleme bei der Einführung neuer, agiler Arbeitsstrukturen, die Gestaltung der Rückkehr in die Bürowelt (Stichwort „Club Office“) und was New Work denn für „non-desk“-Berufsgruppen wie Industriearbeiter, Pflegepersonal, Landschaftsgärtner oder Polizisten bedeuten kann. Am Ende sei entscheidend, mit welchen Themen man sich beschäftige – und hier hatte Trautmann auch für New Work einen klaren Leitstern: „Ich möchte etwas erfinden, das den Planeten erhält oder repariert.“

An der hybriden Veranstaltung nahmen rund 80 Teilnehmer:innen teil, mehr als die Hälfte per Online-Stream. Der rote Faden entlang der Megatrends (4.2.: „Megatrends“ mit Tristan Horx vom Zukunftsinstitut, 29.4.: „Konnektivität“ mit Prof. Dr. Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität) wird nach „New Work“ mit dem Thema „Sicherheit“ (30.9.) fortgesetzt. Als Gäste waren am Freitag fünf der sieben Beiräte der WARGITSCH & COMP. AG anwesend: Sebastian Seutter (Leiter für „Global Manufacturing“ bei UiPath), Klaus-Hardy Mühleck (Fachbeirat für Cybersicherheit für das Land Baden-Württemberg), Markus Bentele (Vice President Information Technology, MAHLE International GmbH), Prof. Dr. Patricia Kraft (International Business, Studiengangsleiterin, Munich Business School) und als neues Mitglied Dirk Brockmann (Professor der Humboldt Universität Berlin und Wissenschaftler am Robert-Koch-Institut).

STIMMEN ZUM TRANSFORMATION TALK

„Was für ein toll besetztes Panel. Ehrlich, authentisch und mit sehr konkreten Beispielen zum Thema New Work.“
– Prof. Dr. Patricia Kraft, Munich Business School

„Bei mir bleibt besonders New Work als „Container-Begriff” hängen, der viele Phänomene beinhaltet und den ich persönlich nun vor allem mit individueller Sinnhaftigkeit (Bsp. „Job Crafting“. Der Hausmeister des NASA Space Center wurde angeblich 1962 bei einem Besuch von John F. Kennedy gefragt, was er im Space Center mit einem Besen in der Hand mache. Die Antwort des Hausmeisters: „Well, Mr. President. I’m helping to put a man on the moon.“) und Flexibilität verknüpfe.“
– Anna Schramm, WARGITSCH Transformation Consultant

„Neue Technik, neue Prozesse und gesellschaftlicher Wandel verändern die Zusammenarbeit. Firmen der Zukunft werden mit New Work alte Muster der Zusammenarbeit auflösen.“
– Martin Zanker, WARGITSCH Head of Sales

Autor

Michael Urban

Head of Research & Development