Das Geheimnis der Transformation

In den Transformation Talks denken wir über das Tagesgeschäft hinaus und beleuchten 2022 die Megatrends unserer Zeit, die uns in unserem Beratungsalltag am häufigsten beschäftigen. In diesem Beitrag denken wir an unsere Auftaktveranstaltung mit Zukunftsforscher Tristan Horx zurück.

Wohin bewegt sich die Welt? Was bedeuten die aktuellen Entwicklungen für uns und unsere Transformation? In den Transformation Talks suchen wir zusammen mit Expertinnen und unseren Gästen nach Antworten auf diese Fragen. Drei Events liegen bereits hinter uns und bevor wir unsere Veranstaltungsreihe mit dem Transformation Talk zum Thema Sicherheit beenden, möchten wir die Erkenntnisse und Momente der vergangenen Talks Revue passieren lassen.

Freitag, 4. Februar: Startschuss für die Transformation Talks. Zu unserer hybriden Auftaktveranstaltung durften wir Trendforscher Tristan Horx vom Zukunftsinstitut als Speaker begrüßen. Horx ist seit seinem 24. Lebensjahr auf den internationalen Bühnen zuhause. Dort teilt der zweisprachig aufgewachsene Speaker Erkenntnisse über den Wandel der Welt. Im Fokus des Kultur- und Sozialanthropologen stehen vor allem die Trendbereiche Digitalisierung, Mobilität, Globalisierung und Generationenwandel. Darüber hinaus ist Tristan Horx einer der gefragtesten Experten, wenn es darum geht, Entwicklungen einzuordnen und sie vor dem Hintergrund der Megatrends zu analysieren. Gastgeber Dr. Christoph Wargitsch und Speaker Tristan Horx tauschten sich von Think Tank zu Think Tank aus, im Zentrum standen die Themen Zukunft und Transformation. Sowohl das Publikum vor Ort als auch die Livestream-Teilnehmer:innen erlebten eindrucksvoll, wie Megatrends unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unser Leben bereits nachhaltig verändern und noch weiter verändern werden.

Über die Systematik der Megatrends und Trendsynthesen: Coopetition, Prosumer, Downaging & Co.

Megatrends benennen und beschreiben komplexe Veränderungsdynamiken und sind ein Modell für den Wandel der Welt, beschreibt der Zukunftsforscher. Doch können wir anhand der Megatrends auch Prognosen für die Zukunft treffen? Laut Tristan Horx ist dies durchaus möglich, wenn wir nicht den Fehler machen, von einem linearen Verlauf auszugehen. „Die wahre Zukunft bewegt sich in Schleifen“, erklärt der Zukunftsforscher. „Zu jedem Trend entwickelt sich im Laufe der Zeit ein Gegentrend, diese beiden treten dann in eine Synthese.“ Das Zukunftsinstitut fasst diese Trendsynthesen in zahlreichen Kunstbegriffen zusammen, von der „Coopetition“, über den „Prosumer“ bis zum „Downaging“.

Der Begriff „Downaging“ beschreibt das Phänomen, dass wir nicht nur immer länger leben, sondern uns dabei auch noch immer jünger fühlen. „Jede Generation benimmt sich um durchschnittlich 7,4 Jahre jünger als ihre Vorgängergeneration“, erläutert Horx. Und auch die Biographien haben sich verändert. Während sich 1960 das Leben eines Menschen klassischerweise in drei Phasen (Kindheit/Jugend, Familien-/Erwerbsarbeit, Ruhestand) einteilen ließ, sprechen wir heute von einem Sechs-Phasen-Modell, das geprägt ist durch zahlreiche Krisen. Die Krisen lösen Transformationen aus, die uns beispielsweise zu einem neuen Job, einem neuen Bildungsweg oder auch in eine neue Beziehung führen. Das Leben verläuft also wesentlich weniger geradlinig als noch vor 70 Jahren. Vielleicht liegt es daran, dass sich heute die einzelnen Generationen nicht mehr in Schubladen packen lassen. Rein soziodemografische Merkmale reichen nicht aus, um Menschen zu beschreiben und zu verstehen. Innerhalb einer Generation finden sich viele unterschiedliche Lebensstile und Wertemodelle. Doch dem Trend zur Individualisierung tritt laut den Forschern des Zukunftsinstituts ein neuer Trend entgegen: der Kollektivismus. Tristan Horx ist sich sicher, dass sich dieser Trend nicht komplett durchsetzen wird, denn „konsistente Generationen werden nur durch epochale Ereignisse wie Naturkatastrophen, Weltkriege oder Hungersnöte konstituiert.“ Corona reiche nicht aus, um uns wieder in einen vollständigen Kollektivismus zu versetzen. „Wir gehen aber davon aus, dass wir am Peak der Individualisierung vorbei sind und uns nach einem neuen Wir sehnen.“ Das Zukunftsinstitut spricht von einer neuen Wir-Kultur, der Post-Individualisierung. „Früher wurden Menschen in Gemeinschaften geboren und mussten ihre Individualität finden. Heute werden Menschen als Individuen geboren und müssen ihre Gemeinschaft finden.“

Beschleunigung und Spaltung von Trends

Auch wenn die Corona-Pandemie also keine große, epochale Krise darstellt, sie hat dennoch viel ausgelöst und auch die Megatrends beeinflusst. Trotzdem sieht das Zukunftsinstitut keinen Bedarf für eine völlig neue Megatrend-Map. „Die Corona-Krise hat einige der Trends beschleunigt, manche gespalten, aber keine neuen geschaffen“, erläutert Horx. Keine Frage, die Digitalisierung zählt zu den Gewinnertrends – mittlerweile sprechen wir sogar schon von einer „Überdigitalisierung“. Die Pandemie hat uns gelehrt, die Digitalisierung zu schätzen, aber sie hat uns auch klargemacht, an welchen Stellen sie uns eben nicht helfen kann. Wir sind über alle Generationen hinweg bestens vernetzt, es gibt WhatsApp-Familiengruppen, Geburtstagslieder werden per Video versandt und Dating-Apps sind längst gesellschaftsfähig. Doch trotz der Digitalisierung und optimierten Vernetzung fühlen wir uns Umfragen zufolge so einsam wie nie zuvor. Der Zukunftsforscher bringt auf den Punkt: „Das Netz löst Verbindungsfragen. Aber keine Beziehungsfragen.“

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Hier sei es höchste Zeit für eine digitale Korrekturschleife. Noch ein weiterer Megatrend wurde durch die Pandemie stark beeinflusst: Die Sicherheit. Corona hat uns daran erinnert, wie unsicher und fragil unser Leben und unsere Umwelt sind. Und der Ukraine-Konflikt lässt unser Empfinden für Risiken und Gefahren noch weiter zunehmen. Diese beiden Entwicklungen verstärken unser Sicherheitsbedürfnis immens. „Vertrauen ist die Währung der Zukunft,“ prophezeit Tristan Horx. Sicherheit sei Grundbedürfnis Nummer 1, insbesondere in der jüngeren Generation. Als Vertreter der Generation Y verweist Tristan Horx immer wieder darauf, die Bedürfnisse und Wünsche der Jugend ernst zu nehmen. Für Unternehmen gelte das in mehrfacher Hinsicht, es handle sich hier nun mal um die Kund:innen und Mitarbeiter:innen der Zukunft. Und während die jüngeren Generationen beispielsweise schon vor Jahren den Wunsch nach Homeoffice und flexiblen Arbeitszeiten formulierten, brauchte es die Pandemie, um diese Randphänomene mehrheitsfähig zu machen.

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Gastgeber Christoph Wargitsch hat nicht erst seit Corona, sondern schon seit vielen Jahren Erfahrung mit hybriden Arbeitsmodellen und der Führung auf Distanz. Für ihn ist es die richtige Mischung, die zum Erfolg führt: „Remote Work bietet eine sehr hohe Produktivität für Standard- oder Kreativ-Arbeiten, mit denen ich als Einzelne:r beschäftigt bin. Komplexe Themen brauchen Ideenexplosion und -synchronisation, die ergeben sich nur im schnellen, analogen Austausch.“ Zukunftsforscher Horx ergänzt: „Kreativmeetings funktionieren am besten zwischen Menschen mit verschiedenen Meinungen und produktiver Differenz, die man gemeinsam in einen gut konzipierten Raum steckt.“ Büros werden also zu Stätten für Kollaboration und soziale Begegnung, das Homeoffice zum Rückzugsort für konzentriertes Arbeiten. Die Arbeitswelt habe durch die Pandemie eine große Transformation erfahren, berichtet Horx.  

Um diese Veränderungen auszuhalten, sei eine Vertrauenskultur im Unternehmen entscheidend, fasst ein Livestream-Teilnehmer zusammen und fragt, wie man eine solche nachhaltig im Unternehmen etablieren könne. „Zu einer guten Vertrauenskultur gehört eine gute Scheiterkultur. Denn eine Transformation darf auch mal schiefgehen, entscheidend sind eine ehrliche Erwartungshaltung und offene Kommunikation“, erläutertet der Zukunftsforscher. Ganz in diesem Geiste lautet einer der Unternehmenswerte der WARGITSCH Transformation Engineers: „Be brave, fail fast.“

Veränderungsprozesse erfordern Mut und Tatkraft

Doch wie bestimmt man als Unternehmen eigentlich seinen Standort, woran erkennt man, dass es Zeit für eine Transformation ist? Das Zukunftsinstitut nutzt hierzu das Konzept des Adaptive Cycle, die sogenannte Lazy Eight. Das Zyklusmodell kommt aus der Resilienzforschung, die Entwicklungsdynamiken in komplexen Systemen untersucht. Die entscheidende Erkenntnis: Die Krise ist integraler Teil jedes Systems. Sie ist prinzipiell nicht zu verhindern und gibt den Anstoß zu Transformationsprozessen. Das Modell hilft, die Anzeichen und die Notwendigkeit für Umbrüche zu erkennen und Krisen als Chance für einen Innovations- und Lernprozess zu begreifen. Tristan Horx ist überzeugt: „Für die Zukunft gut aufgestellt werden Unternehmen sein, die Krisen nutzen, um ihr eigenes wirtschaftliches Handeln zu reflektieren, und sich mit den Veränderungen in der Gesellschaft und der Wirtschaft vorausschauend auseinandersetzen.“ Genau zu dieser Selbstreflexion möchte Christoph Wargitsch mit den Transformation Talks die richtigen Impulse setzen. „Für erfolgreiche Transformationen ist entscheidend, dass sie aktiv betrieben werden“, erläutert der Unternehmer. „Sie führen eine Organisation von einem stabilen Zustand über eine Phase der Unsicherheit in den nächsten stabilen Zustand.“ Als Kopf der WARGITSCH Transformation Engineers beschäftigt ihn die inflationäre Nutzung des Begriffs „Transformation“. Es ist ihm ein Anliegen, eine neue Qualität zu schaffen, die Worthülse wieder mit Bedeutung zu füllen. Die Auftaktveranstaltung zu den Transformation Talks war ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Autorin

Nora Kammerl

Marketing & Brand Specialist