Female Leadership

Eine elementare Komponente von New Work ist die Veränderung von Führungsstrukturen. Aus klassischen Mustern ausbrechen kann neue Potenziale für Unternehmen erschließen. Ein wichtiges Thema, das in diesem Kontext beleuchtet werden sollte: Female Leadership.

Eigentlich sollte man sich im Jahr 2023 keine Gedanken mehr darüber machen müssen, ob eine Frau oder ein Mann eine Führungsposition bekleidet (oder bekleiden sollte), oder warum es wichtig ist, Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Familie und Beruf gut zu vereinbaren. Dennoch – und das hat die Pandemie eindrücklich gezeigt – sind es nach wie vor mehrheitlich Frauen, die den Hauptteil an Care-Arbeit für Kinder oder andere pflege- und sorgebedürftige Menschen übernehmen. Derweil bleibt Deutschlands Topmanagement nach wie vor männlich dominiert: Laut einer Untersuchung der Allbright-Stiftung aus dem Jahr 2022 befinden sich in den Führungszirkeln deutscher Unternehmen mehr Männer mit dem Namen „Christian“ als Frauen im Allgemeinen. Doch wie lässt sich dies ändern? Welche Argumente sprechen dafür, eine Unternehmensführung genderdivers zu besetzen? Und wie unterscheiden sich männliche und weibliche Führung?

Was ist Dir bei Deinem Führungsstil wichtig?

Miriam Wiecha (Client Engagement Manager): Ich nehme mich selbst als eine authentische, offene und ehrliche Person wahr, dies beeinflusst auch meine Art zu führen. So sind bei meinem Führungsstil besonders die weichen, menschenorientierten Faktoren ausgeprägt. Ich vertraue meinem Team. Denn ich habe ein positives Menschenbild und bin davon überzeugt, dass jede Einzelperson im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Bestes gibt. Mich in das Team hineinzufühlen, ist mir wichtig. Da ich mir nie sicher sein kann, wie andere empfinden, frage ich auch ausdrücklich nach den individuellen Bedürfnissen und versuche auf diese einzugehen. Zudem beziehe ich meine Kolleg:innen, wenn möglich, mit ein, wenn Entscheidungen anstehen. Ich frage Meinungen ab und schätze es, wenn innerhalb des Teams offen diskutiert wird.

Es ist dabei mein Anspruch, die Leistung, aber auch die persönlichen Charakterzüge und Stärken jedes Teammitglieds wertzuschätzen. Denn ich bin davon überzeugt, dass Teams am besten performen, wenn die Einzelpersonen ihre Stärken an der richtigen Stelle einbringen können. Das gilt auch dann, wenn wir in unterschiedlichen Projekten unterwegs sind. Darüber hinaus ist es meine Aufgabe, meinem Team in herausfordernden Situationen, die in unserem Job nicht selten vorkommen, Zuversicht zu geben und zu unterstützen, wo ich kann. Ebenso versuche ich meinen Kolleg:innen Perspektiven für ihre Zukunft aufzuzeigen und ihre persönliche und fachliche Entwicklung zu fördern. Dies gelingt vor allem im Zusammenspiel mit den anderen Heads & Leads der Transformation Engineers.

Neben allen weichen Faktoren finde ich es wichtig, einen geeigneten Rahmen für unsere Zusammenarbeit zu finden, damit sich Projektgeschäft und fachliche, interne Entwicklung die Waage halten. Dafür braucht es gute Strukturen, die wir fortwährend weiterentwickeln. Zusammenfassend würde ich meinen Führungsstil als situativ und kooperativ beschreiben – interessanterweise hat sich dies bereits in meiner Studienzeit abgezeichnet.

Führen Frauen anders?

Alexandra Wiebe-Kaaden (Chapter Lead Communication Design): Um diese Frage zu beantworten, kommt man nicht darum herum, über gängige Klischees nachzudenken: Frauen seien zu emotional und empathisch für Führungspositionen, es fehle ihnen an Durchsetzungsvermögen. Doch ist da etwas Wahres dran oder verlieren wir uns nur in Stereotypen? Das Ergebnis einer Studie der Uni Mannheim und des Studienzentrums in Bonn zeigt sogar eher das Gegenteil: In frauengeführten Unternehmen gibt es mehr Regeln und klare Führungsworte. Männer hingegen neigen eher zu einem „Laissez-faire“-Führungsstil. Zum Thema „Female Leadership“ gibt es mittlerweile einige Studien mit interessanten Erkenntnissen. Unter anderem haben sich hierbei einige typische Eigenschaften von Frauen in Führungspositionen herauskristallisiert. Eine davon ist das Einbeziehen der Mitarbeiter:innen. Frauen neigen dazu, den transformationalen Führungsstil zu gebrauchen. Dazu gehört es, den Mitarbeiter:innen auf Augenhöhe zu begegnen und sich selbst als Sparrings- partnerin, Mentorin und Coach zu verstehen. Vielleicht sind Frauen auch gerade deshalb immer mehr in Führungspositionen zu finden, denn die Arbeit selbst transformiert sich ebenfalls. Im agilen Zusammenarbeitsmodell definiert sich nicht nur die Arbeit, sondern auch die Führung neu: Kollaboration steht dabei als Kompetenz ganz oben. Und genau diese Kompetenz erfüllen Frauen tendenziell besser. Eine Studie des Verbands deutscher Unternehmerinnen hat ergeben, dass weibliche Manager ihre Prioritäten anders setzen: Sie bauen verstärkt auf intensive Kundenbindungen und gute Beziehungen zu ihren Mitarbeiter:innen.

Männern hingegen sind finanzielle Vorteile und sachliche Leistungen, wie Dienstwägen oder Firmenhandys, wichtig. Eine weitere Eigenschaft weiblicher Führung ist die klare Kommunikation. Dadurch werden Missverständnisse vermieden, wodurch eine Steigerung der Effizienz bei der Zusammenarbeit erreicht werden kann. Außerdem sind Frauen oft offener für Innovationen. Bei Veränderungsprozessen agieren Frauen schneller und ergreifen eher die Initiative. All die zuvor genannten Punkte sind zwar gute Voraussetzungen für eine gute Führung, dennoch liegt der Schüssel meiner Meinung nach in der individuellen Persönlichkeit. Nicht jede Frau kann automatisch gut kommunizieren und nicht jeder Mann legt viel Wert auf einen Dienstwagen. Die eigene Persönlichkeits- struktur ist dafür verantwortlich, wie jemand nach außen wirkt und handelt, wie einfühlsam, empathisch, macht- oder erfolgsorientiert jemand ist. Um eine gute Führungskraft zu sein, bleibt entscheidend, die eigenen Stärken zu kennen und diese zu nutzen, ganz unabhängig vom Geschlecht.

Welche kulturellen Elemente begünstigen, dass Frauen Führungspositionen wahrnehmen können?

Christina Weigert (VP Corporate Development): Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich in Deutschland viel getan, um Frauen insbesondere nach der Geburt eines Kindes den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern. Sei es durch die Einführung des Elterngeldes oder die Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Dies war auch für mich persönlich ein wichtiger Umstand, schnell in den Beruf zurückzukehren, der mir Spaß macht und mich auch wirtschaftlich auf Augenhöhe mit meinem Partner stellt. Aber neben politischen Rahmenbedingungen und einer beiderseitig gewollten Gleichstellung innerhalb der Partnerschaft, spielen die Bedingungen im Arbeitsumfeld eine ganz wesentliche Rolle dabei, welche Wege eine Frau im Beruf beschreiten kann. Aus meiner Sicht sind drei Prinzipien dafür hilfreich, Frauen dazu zu ermutigen, Führungsrollen anzustreben, auch dann, wenn sie keine unabhängigen Singles sind. Genau diese Prinzipien berücksichtigen wir auch bei den WARGITSCH Transformation Engineers.

1) Vorleben: Männliche Führungskräfte, die sich nicht davor scheuen, Familienleben und ihre aktive Rolle darin transparent zu machen (z. B. Elternzeit, Übernahme von Betreuungstagen, wenn Kinder krank sind) und weibliche Führungskräfte, die sich zum Beispiel aktiv Zeiten für ihre Kinder freihalten, können zum Rollenmodell moderner Führung werden. So berichtet Janina Kugel, ehemalige Personalvorständin der Siemens AG in ihrem Buch „It‘s now“ von ihrem Grundsatz, in ihrer Familienkernzeit zwischen 17 und 20 Uhr keine Termine anzunehmen. 

An diesem Grundsatz hielt sie fest, obgleich ihr bewusst war, dass sie dafür viel Kritik ernten würde. Wenn wir anfangen, Menschen nicht nur als Arbeitnehmer:innen zu sehen, sondern als Individuen in einem sozialen Kontext mit unterschiedlichen Lebenswelten und -heraus- forderungen, lösen wir uns von Stereotypen und lassen uns auch in Führungsfragen nicht von Geschlecht, Familienstand oder Ähnlichem leiten.

2) Commitment: Häufig wird die (fehlende) fachliche Kompetenz oder persönliche Eignung als Argument für den Mangel an weiblichen Führungskräften ins Feld geführt. Am Ende des Tages ist es jedoch das Commitment des Top-Managements, das als Katalysator für einen höheren Anteil an weiblichen Führungskräften sorgt. Die Diskussion, ob manche Frau einem Führungsjob gewachsen ist, lässt sich leicht aushebeln, wenn sich eine Organisation der Stärkenorientierung verschrieben hat, also Stärken stärkt, statt Defizite hervorzuheben. Dazu zählt auch, Führung und die dafür nötigen Stärken zu definieren, eng verknüpft damit, welche Stärkenprofile die zu führenden Teams aufweisen. Mit einem klaren Bekenntnis des Top-Managements (nicht nur durch Quoten erzwungen) gelingt es, eine Kultur zu fördern, in der auch Frauen ermutigt werden, Führungsverantwortung zu übernehmen, entlang ihres jeweiligen Stärkenprofils.

3) Flexibilität: Die Flexibilisierung von Arbeit in Bezug auf Ort und Zeit erlaubt es allen Mitarbeiter:innen, Arbeit und Privatleben besser zu vereinbaren. Gerade dort, wo ein signifikanter Anteil an Remote-Arbeit möglich ist, wird für Mütter die Voraussetzung geschaffen, den Sprung aus der berühmten Teilzeitfalle zu wagen. Die wertvolle Zeit wird nicht mit Fahrtwegen zur und von der Arbeit verschwendet, was sich insbesondere schwer mit dem Familienalltag vereinbaren lässt oder zumindest mit enormem Stress verbunden ist. Sich darüber hinaus Arbeitszeiten in enger kollegialer Abstimmung für Termine oder Meetings flexibel einzuteilen, schafft Freiräume und optimales Work-Life-Blending. Wenn dieses Paradigma nicht nur für Teammitglieder, sondern auch für Führungskräfte gilt, erleichtert dies automatisch vielen Frauen den Zugang zu Führungsrollen.

Welche Vorteile bringt eine genderdivers zusammengesetzte Führung?

Isabel Svigac (VP Finance & Administration): Ich würde behaupten: jede Menge. Eingangs möchte ich vorab noch kurz auf den Begriff divers eingehen, da in der Fragestellung explizit nach genderdivers gefragt wird. Diversity ist sehr vielschichtig und umfasst viel mehr als nur das Geschlecht, dieser Begriff kann sich ebenso auf die ethnische Herkunft, die sexuelle Orientierung, die soziale Herkunft, das Alter und viele weitere Aspekte beziehen, welche gleichermaßen wichtig sind und nicht außen vorgelassen werden dürfen.

Um auf die Frage zurückzukommen: Kurz zusammengefasst kann Gender Diversity in Führungsteams für eine höhere Produktivität und auch eine Umsatzsteigerung sorgen. Unterschiedliche Stärken und Charaktereigenschaften treffen zusammen und oft ergänzen sich gerade diese optimal. Jede Person hat einen eigenen Führungsstil und unterschiedliche Herangehensweisen für Probleme und deren Lösungsansätze, so kann man die Stärken jedes einzelnen Führungsmitglieds nutzen und individuelle Schwächen kompensieren. Hierfür ist es unabdingbar, dass alle Führungsbeteiligten über kooperative Kompetenz verfügen. Wir befinden uns in einer volatilen Wirtschaftswelt, welche in den letzten Jahren durch viele Krisen gezeichnet wurde, und diese Entwicklung hält weiter an. Prioritäten haben sich verschoben und neue Führungskompetenzen sind in den Vordergrund gerückt. In dieser Welt ist eine situative und menschen- beziehungsweise teamorientierte Führung wichtiger denn je. Frauen unterliegen dem Stereotyp, emotionaler und empathischer zu sein sowie starke soziale und kommunikative Fähigkeiten zu besitzen.

Männer werden stereotypisch hingegen als durchsetzungsfähig, stark und autoritär gesehen. In unserer Welt, in welcher auch die emotionale Agilität Teil des Führungsstils sein sollte, kann die Gender Balance ein wichtiger strategischer Erfolgsfaktor sein. Denn mit der Mischung aus vielen unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten kann man optimalen Output erzeugen. Dies stellt für Unternehmen, welche entsprechend agieren und leben, einen großen Konkurrenzvorteil dar. Auch die mentale Gesundheit in Teams kann so gestärkt und die Motivation der Mitarbeiter:innen gesteigert werden. Neben den direkten Auswirkungen und Vorteilen im Unternehmen in Bezug auf Produktivität und Effizienz, welche bereits in vielen Studien herausgearbeitet und belegt wurden, ist eine genderdiverse Führung auch für den Arbeitsmarkt relevant und kann Teil des Employer Brandings sein. Ein Unternehmen mit heterogenen Führungsteams wird als modern und innovativ wahrgenommen und lässt auf eine zukunftsgerichtete Unternehmenskultur schließen, was von potenziellen Arbeitnehmer:innen als positiv empfunden wird. Viele Unternehmen, wie auch wir bei den WARGITSCH Transformation Engineers, leben diese Philosophie, sie gehört zu unserem Arbeitsalltag. Unser Führungsteam setzt sich aus Frauen und Männern in unterschiedlichem Alter, mit unterschiedlichen Werdegängen und familiären Situationen zusammen. Es macht Spaß, Teil dieses Teams zu sein, in welchem wir offen, ehrlich und direkt kommunizieren können und uns gegenseitig unterstützen. Die Realität über die Breite der Unternehmen zeichnet aber leider noch ein anderes Bild. Stereotypen müssen aufgebrochen und alte Denkmuster kritisch hinterfragt werden, um einen Wandel in den Unternehmen anzustoßen. Ich bin keine Verfechterin der Frauenquote oder ähnlich motivierter Quoten und Mindestzahlen. Ich denke aber, dass entsprechende Vorgaben aktuell noch notwendig sind, um diese Entwicklung voranzutreiben und für ein Umdenken zu sorgen.